05 Dez Entrepreneurial Management: Startup im Unternehmen
Im Zuge des digitalen Wandels müssen sich viele Unternehmen neu orientieren. Entrepreneurial Management ist ein Ansatz, die bestehenden Management Konzepte zu erweitern, um besser mit solchen Situationen großer Ungewissheit umzugehen. Dabei kommen Elemente von Design Thinking und Lean Startup zum Tragen. Dieser Blogbeitrag erklärt den Hintergrund des neuen Modells.
Wenn man sich heute auf Barcamps oder Startup Konferenzen bewegt, trifft man zunehmend auf Vertreter etablierter Unternehmen. Diese Unternehmen haben erkannt, dass ihre bisherige Arbeitsweise nicht mehr ausreicht, um mit dem Wandel in der digitalen Welt Schritt zu halten. Auch die Politik und Verbände erhoffen sich, dass sich Startups und traditionelle Unternehmen gegenseitig befruchten.
Dabei gibt es mindestens zwei Hürden, die dem Austausch im Wege stehen:
- Die Startup-Szene ist mit viel Blendwerk geschmückt. Coole Büros, Sitzsäcke, Szenegetränke, Retrospiele und Tischkicker sind weder Indikatoren für gute Startups, noch lösen sie das Grundproblem traditioneller Unternehmen im digitalen Wandel. Sicher ist die Anpassung räumlicher Gegebenheiten ein notwendiger Teil des kulturellen Wandels, der den Unternehmen bevorsteht. Aber es ist bei weitem nicht ausreichend.
- Dass traditionelle Unternehmen ein Interesse haben, von der Startup-Szene zu lernen, ist intuitiv einleuchtend. Aber welche Motivation sollte ein Startup haben, sich um die Belange traditioneller Unternehmen zu kümmern? Ihre Aufgabe ist es ein Produkt zu entwickeln und an den Markt zu bringen. Zumal die Mitarbeiter in Startups vielfach überhaupt nicht wissen, wie große Unternehmen überhaupt funktionieren. Natürlich können traditionelle Unternehmen und Startups kooperieren, z.B. als Lieferant oder Logistikdienstleister. Aber dies hat nichts mit Kulturwandel zu tun und hilft im Zweifel dem Startup mehr als dem traditionellen Unternehmen.
Eine gemeinsame Basis: Ungewissheit
Was übrig bleibt sind häufig ratlose Mitarbeiter traditioneller Unternehmen. Sie erkennen die Diskrepanz zwischen der Startup-Welt und ihrem täglichen Arbeitsumfeld, sehen aber nicht die Gemeinsamkeit.
Eric Ries hat dies in seinem neuen Buch The Startup Way sehr gut analysiert. Die gemeinsame Basis ist Ungewissheit. Startups wissen nicht, ob ihre Idee am Markt ankommt. Wer sind meine Kunden? Welchen Preis kann ich verlangen? Wie setze ich neue Technologien ein, um neuartige Lösungsansätze zu realisieren?
Es stellt sich heraus, dass traditionelle Unternehmen vor sehr ähnlichen Fragen stehen, wenn sie durch den digitalen Wandel betroffen sind. Wie haben sich die Bedürfnisse meiner Kunden verändert? Wer sind neue Mitbewerber? Wie kann ich schneller auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren? Welche Technologien kann ich sinnvoll in meinem Umfeld einsetzen? Wie kann ein neues Geschäftsmodell aussehen?
Eric Ries wurde dadurch bekannt, dass er analysierte, wie erfolgreiche Startups mit dieser Ungewissheit umgehen. Das Lean Startup Prinzip ist heute ein fester Bestandteil der Vorgehensweisen für Startups. Mit dem Entrepreneurial Management Ansatz hat er nun dieses Prinzip auf etablierte Unternehmen übertragen.
Grenzen des klassischen Managements
Alle klassischen Management Ansätze beruhen auf einer Grundannahme: Es besteht ein Product-Market-Fit – meine Kunden wollen das, was ich produziere. Es besteht Planbarkeit, das Herzstück klassischen Managements. Ich kann berechnen, welche Ressourcen ich benötige, um eine bestimmte Anzahl Produkte zu produzieren. Dieser Prozess wird immer weiter optimiert, um die Kosten zu senken und den Gewinn zu verbessern.In Situationen großer Ungewissheit funktioniert dieser Ansatz aber nicht mehr. Es fehlt die Planbarkeit. Ich weiss eben nicht, welches Produkt zu den Bedürfnissen meiner Kunden passt. Vielleicht weiss ich nicht mal, wer meine Kunden sind.
Aber Unternehmen hören dann ja nicht einfach auf zu arbeiten. Sie machen das, was sie können: planen. Die Ungewissheit wird ignoriert. Man entwickelt das, was man meint, was die Kunden benötigen. Baut sogar eine neue Fabrik, plant und optimiert die Produktion. Am Ende halten sich lediglich die Kunden nicht an den Plan. Sie kaufen das Produkt einfach nicht.
Design Thinking: Einstieg in exploratives Arbeiten
In den Unternehmen setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die bisherigen Arbeitsformen nicht mehr ausreichen. Um mich zu orientieren und herauszufinden, wo meine Kunden sich befinden, muss ich explorativ arbeiten. Ich muss Dinge ausprobieren, beobachten und neue Impulse aufnehmen. Als Grundlage für diese Art des Arbeitens hat sich mittlerweile Design Thinking als Ansatz und Vorgehensmodell etabliert. Bei gezeitenraum haben wir über die letzten Jahre viel Erfahrung mit Design Thinking gesammelt und kennen daher diefundamental wichtigen Bausteine, die den Mehrwert dieser Arbeitsweise ausmachen:
- Das Team gewinnt es gemeinsames Verständnis von dem Problem, welches es zu lösen gilt. Vor allem gibt es dem Team eine erste gute Orientierung und Standortbestimmung bzgl. der gegebenen Fragestellung.
- Zentrales Element ist die Entwicklung von Empathie für die Zielgruppe. Die Persona ist eines der Tools, welches vielen Teammitgliedern hilft, sich in Kunden, Partner oder Mitarbeiter hinein zu versetzen.
- Design Thinking hat das Bewusstsein geschärft, wie wichtig die Rahmenbedingungen für einen kreativen Prozess sind.
- Es gibt ein Vorgehensmodell, an dem man sich orientieren kann. Dies gibt dem Team die nötige Sicherheit, um unbekanntes Terrain zu erkunden.
- Es gibt konkrete Methoden und Tools, derer man sich je nach Situation bedienen kann.
Unsere Erfahrung in der Praxis hat aber auch ohne Frage einige Schwachpunkte von Design Thinking hervorgebracht:
- Zwar ist Design Thinking im Kern ein iterativer Prozess, gelebt wird die Iteration im Alltag aber selten. Viele Unternehmen führen Design Thinking Workshops isoliert und ausserhalb der gewöhnlichen Arbeitsumgebung durch. Zurück im Tagesgeschäft stellen viele dann aber fest, dass diese andere Form des Arbeitens nicht zu den gegebenen Rahmenbedingungen des traditionellen Managements passt.
- Design Thinking arbeitet mit Prototypen und nicht mit Produkten. Die Idee des Prototyps ist sehr wichtig, um Ideen greifbar zu machen. Die eigentliche Entwicklung des späteren Produkts ist aber nicht mehr Teil des DT Zyklus. Dadurch besteht die Gefahr, dass die entwickelte Idee und das spätere Produkt nicht mehr zusammen passen.
- Es gibt keinen Management Ansatz, um Design Thinking im Unternehmen zu verankern.
- Die wirtschaftliche Sicht auf das Produkt – das Geschäftsmodell – ist nicht Bestandteil von DT.
Lean Startup als ideale Ergänzung
Während Design Thinking mehr die Empathie und Kreativität in den Fokus stellt, richtet sich der Lean Startup Ansatz konsequent an der Ungewissheit aus: was muss ich über meine Kunden, den Markt oder mein Produkt lernen, um weiter zu kommen. Dazu setzt Lean Startup auf drei Bausteine:- Es wird konsequent in kurzen Zyklen gearbeitet. In jedem Zyklus wird versucht, eine bestimmte Frage zu klären und so schrittweise zu lernen. Nach jedem Zyklus wird entschieden, ob man in der eingeschlagenen Richtung weiter macht, die Richtung geändert wird, oder ob das ganze Projekt ggf. abgebrochen wird.
- Alle Annahmen, die das Team über Markt, Produkt und Kunden aufstellt, werden explizit gemacht. In einem an wissenschaftliches Arbeiten angelehnten Vorgehen wird dann versucht, über ein Experiment eine oder mehrere dieser Annahmen zu bestätigen oder zu widerlegen. Ein Zyklus besteht darin, das Experiment zu entwickeln, durchzuführen und aus den Ergebnissen zu lernen.
- Das zentrale Instrument für ein Experiment ist das Minimal Viable Product (MVP). Ein MVP entspricht dem Prototypen im Design Thinking, geht aber in zwei Aspekten deutlich darüber hinaus. Erstens wird das MVP stückweise zum vollen Produkt entwickelt und bleibt nicht im Prototypenstatus. Und zweitens dient es dem validierten Lernen: das MVP muss dem Kunden einen Mehrwert liefern und er muss bereit sein, für diesen Mehrwert zu zahlen, sei es mit Geld oder mit Daten. Nur, wenn der Kunde hierzu bereit ist, weiss ich, dass die Richtung stimmt.
Im Gegensatz zum Design Thinking kommt der Lean Startup Ansatz aber nicht mit konkreten Methoden und Tools. Es ist eher ein Metamodell, dass jeder Kunde individuell mit Leben füllen muss.
Entrepreneurial Management
In The Startup Way beschreibt Eric Ries die Rahmenbedingungen, um den Lean Startup Gedanken in einem traditionellen Unternehmen zu etablieren und nennt dies Entrepreneurial Management. Hierzu zählen Aspekte wie Personalführung, Planung und Budgetierung. Es fehlt aber eine konkrete Verbindung zum Methoden und Tools wie wir sie aus dem Design Thinking kennen.
Dabei sollte verstanden werden: Entrepreneurial Management ist eine Ergänzung zu klassischen Management Modellen um mit Situationen großer Unsicherheit umgehen zu können. Ist ein Produkt unter diesen Bedingungen fertig entwickelt, greift wieder das klassische Modell: Produktion und Vertrieb möglichst effizient zu organisieren.
Bei gezeitenraum haben wir den Begriff Entrepreneurial Management übernommen, da er aus unser Sicht sehr passend ist. Wir haben aber die aus unserer Sicht wichtigen Elemente des Design Thinking ergänzt. Die Einzelheiten würden den Rahmen dieses Blogbeitrags sprengen. Wer mehr wissen möchte, kann uns gerne kontaktieren, oder an einem unserer Trainings teilnehmen.