23 Feb Wie geht es eigentlich nach dem Design Thinking weiter?
„Das Thema Design Thinking wird sehr gut erklärt, nur wie es nach dem Thinking weitergeht wird in diesem Buch nicht so richtig klar.“ Diesen Kommentar habe ich in einer Amazon-Rezension eines Design Thinking Buches gelesen und er hat mich nachdenklich gestimmt.
Wir sind gewohnt, dass Aufgaben einen Anfang und ein Ende haben. Jahrelang haben wir im Wasserfallmodell versucht, Abläufe beinahe minutiös in eine perfekte Reihenfolge zu bringen und in vielen Fällen ist uns das sogar einigermaßen gut gelungen. In der Regel dann, wenn wir etwas nicht zum ersten Mal machen. Ein Fließband in der Produktion kommt diesem Ideal relativ nahe. Doch selbst dort gibt es Unterbrechungen, fehlende Teile, die nicht rechtzeitig geliefert wurden, Verschleiß an Maschinen oder Ausschuss.
Design Thinking kommt grundsätzlich dann zum Einsatz, wenn wir Dinge noch nie gemacht haben und die Zukunft antizipieren wollen.
Und es wird auch mit einer „Reihenfolge“ geliefert:
Verstehen – Beobachten – Sichtweise definieren – Ideen finden – Prototypen bauen – Testen
Sehr häufig finden wir uns deshalb in Design Thinking Workshops wieder, die am Montag um 9 Uhr starten und dienstags um 17 Uhr enden. Einfach mal machen und dann mit Design Thinking fertig sein.
Design Thinking bewegt sich im Spannungsfeld zwischen „kontinuierlichem Suchen nach noch besseren Lösungen“ und „dem Einstieg in die Umsetzung“, um letztendlich ein Produkt oder eine Dienstleistung an den Markt zu bringen.
Die Frage müsste also eigentlich lauten:
Wann endet das Design Thinking und beginnt die Umsetzung?
Zunächst fängt das eigentliche Design Thinking nach dem ersten Durchlauf erst richtig an. In Design Thinking Workshops werden zunächst jede Menge Annahmen getroffen, um Richtungen einzuschlagen. Das fängt schon bei der Auswertung der ersten Kundeninterviews an, aus denen zentrale Einsichten abgeleitet und eine gemeinsame Sicht auf die Problemstellung der Kunden abgeleitet werden soll. Im Workshop wird basierend auf diesen Annahmen einfach weitergearbeitet und erste Prototypen erstellt.
Der erste Prototyp ist also ein Entwurf, der auf Annahmen basiert. Ob diese richtig oder falsch sind, stellt sich im Rahmen von Validierungen und Tests heraus und die daraus gewonnenen neuen Erkenntnisse sollen in eine Iteration münden.
Trotzdem spricht auch im Design Thinking nichts gegen das Setzen von Meilensteinen. Mein Lieblingszitat in dem Zusammenhang stammt von Sheryl Sandberg:
„DONE ist better than perfect.“ Ganz häufig lässt sich auch mit noch unfertigem Erkenntnisstand etwas mehr oder weniger endgültiges bauen bzw. umsetzen.
Und natürlich gibt es auch Prototypen, die schon nach der ersten Iteration genügend Funken bieten, dass mit der Umsetzung begonnen werden kann.
Wir sehen Design Thinking nicht als einen in sich abgeschlossenen Vorgang. Design Thinking ist nicht ein einzelner Workshop mit Beginn und Ende nach zwei Tagen plus minus.
So wie das Wasserfallmodell optimalerweise durchläuft wie am Schnürchen, ist Design Thinking eine Endlosschleife, innerhalb derer die einzelnen Phasen sogar durcheinandergewirbelt werden, sich überlappen dürfen.
Die Universität St. Gallen beschreibt Design Thinking im Sinne eines Makrozyklus, in dessen Rahmen Prototypen unterschiedlichster Art die Meilensteine darstellen.
„Und woher wissen wir dann, wann wir mit der Umsetzung starten können?“
Aus unserer Erfahrung in dem Augenblick, wenn die Präsentation des Prototypen intuitiv verstanden und von den Testern „weitergesponnen“ wird. Also dann, wenn wenig Fragen zur Idee und deren Sinn gestellt und viele weitere Ideen geäußert werden.
An dieser Stelle kann es auch nützlich, sich bei Denkschulen zu bedienen, die mit Design Thinking verwandt sind und sich nahtlos daran anschließen lassen. Lean Startup ist eine davon. Im Kern von Lean Startup steht das „Minimum Viable Product“ (MVP) – die erste Version des Produkts, die genau so viel Funktion bietet (und möglichst nicht viel mehr), dass Kunden bereit sind, Geld dafür auszugeben. Von diesem MVP ausgehend, wird das Produkt dann sukzessive weiterentwickelt.
Das „nach“ sollte also ein „während“ sein. Design Thinking ist ein Grundrauschen, das „nebenher“ immer weiterläuft auch wenn sich Konzepte bereits in der Umsetzung oder sogar Nutzung befinden. So wird es eine Quelle beständigen Hinterfragens und der kontinuierlichen Erneuerung.
Design Thinking fängt für mich erst dann an, wenn es nicht mehr aufhört. Es ist aber auch kein „Endzustand“, sondern eine Entwicklung, die wenn sie auf fruchtbaren Boden gefallen ist, nicht mehr aufhört.
Es erzeugt Freude an glücklichen Zufällen und Momente des Weiterkommens, die sich nur ereignen, wenn man bewusst Gelegenheiten dafür schafft. Das trifft für mich das eigentliche Wesen von Design Thinking. Und genau diese Haltung hat keinen Vor und Nach.
Die Freude daran, die Welt zu entdecken. Ich hoffe, die kann ich mir bis ans Ende meines Lebens erhalten. Und ich habe ein bisschen Hoffnung darauf, dass es selbst dann nicht aufhört.